Selbstfindung auf Bali

Ich weiß, der Titel schreit nach Klischee. Spätestens seit „Eat Pray Love“ ist Bali wohl als Paradies für die Reise zum eigenen Ich bekannt und Menschen pilgern auf die Indonesische Insel, in der Hoffnung das zu finden, was ihnen im Leben fehlt. Ich habe den Titel bewusst ein wenig überspitzt, ein wenig plakativ formuliert. Dass nicht aber auch ein wenig Wahrheit dran ist, kann ich nicht bestreiten.

Ich habe mich auf Bali selbst gefunden, ein bisschen zumindest. Ich war zuvor in keiner Krise, hatte auch keine plötzliche Erleuchtung, als ich meinen Fuß auf balinesische Erde setzte und habe mein Leben nicht von grundauf umgekrempelt. Ich würde nichtmal behaupten, dass meine kleine innere Reise nicht auch an irgendeinem anderen Ort auf der Welt genauso stattgefunden hätte. Bali war da, Bali war sonnig, wunderschön, Bali hat mir die Pause gegeben, nach der ich mich so gesehnt habe. Genau aus diesem Grund heißt der Beitrag auch: Selbstfindung auf Bali.

Fakt ist: Nach einer Woche auf der Insel hatte ich ein plötzliches Tief, das wie aus dem nichts kam und auch genauso plötzlich verschwand. Wir waren auf dem Weg nach Nusa Penida und mein Herz war so schwer, ohne dass ich auch nur den Hauch einer Ahnung hatte, was mit mir los war. Ich war müde – so müde, dass ich mit Tränen in den Augen für eine Stunde einschlief. Als wir später an dem Tag in unser Quartier waren, kamen alle Emotionen hoch. Ich habe so geschluchzt wie seit Jahren nicht mehr – immer noch ohne einen Grund und ohne eine Erklärung. Ich habe begonnen, nach Gründen für meine Verzweiflung zu suchen und zu reflektieren, woher diese Emotionen kommen könnten. Die einzig plausible Erklärung war ein kleiner Gedanke tief in mir: Du bist hier so glücklich – warum verschließt du dich sonst vor der Möglichkeit, so glücklich zu sein? Warum gibst du dich mit 80% zufrieden, wenn du weißt, dass irgendwo 100% warten?

In den nächsten zwei Wochen habe ich intensiv über mein Leben nachgedacht, habe mich mit mir selbst auseinandergesetzt und so einiges an meinem Verhalten ablesen können. Ich habe mit Freundinnen geredet, die genau verstanden haben, was in mir vorgeht und habe mir überlegt, was ich mir von meinem Leben erwarte. Einige Dinge, die mir aufgefallen sind, möchte ich gerne mit euch teilen:

Reisen gibt mir die Pause, die ich mir selbst nicht gebe

Diese Erkenntnis kam mit durch eine Podcastfolge von Jacko Wusch und hat mir ziemlich die Augen geöffnet. Sie hat erzählt, dass sie gemerkt hat, dass Reisen ihr genau deshalb so gut tun, weil sie endlich die Pause bekommt, die sie sonst nicht zulässt. Und dass die erste Woche jeder langen Reise immer sehr schwierig ist, weil es dauert, bis der Stress abfällt. Ich habe mich zu 100% darin wiedergefunden und ja, vielleicht hatte ich auch genau aus diesem Grund nach einer Woche dieses emotionale Tief. Fakt ist: ich bin ein Mensch, der niemals nichts machen kann. Durch meine Selbstständigkeit kann ich immer und überall arbeiten, was Fluch und Segen zugleich ist. Ich arbeite an Wochenenden, an Sonntagen vor dem Frühstück, während ich Bahn fahre oder sogar während ich mit der U-Bahn auf dem Weg zu einem Meeting bin. Wenn ich nicht arbeite, putze ich die Wohnung, miste aus, mache Besorgungen, verkaufe Dinge auf Verkaufsplattformen, suche nach Möglichkeiten, mich irgendwie zu beschäftigen. Ich plane meinen Tag so durch, damit ich ja nicht darauf komme, mal eine echte Pause zu machen. Ich würde sagen, dass ich mit Sport, Kochen, Freunde treffen eine ganz okay-e Work-Life-Balance habe, aber richtige Pausen? Ich weiß ja nicht! Da ist wenig, das ich einfach nur für mich habe, wenig, das nicht Teil einer großen To-Do-Liste ist. Im Urlaub gehen wir raus, wir fahren mal ziellos mit dem Roller rum, kaufen uns eine Melone und setzen uns ans Meer. Wir laufen durchs Wasser, liegen in der Sonne. Und das alles hat so wenig Sinn und ist aus genau diesem Grund so wunderbar. Was mein Fazit daraus ist? Vielleicht brauchen wir mehr Pausen in unserer „richtigen“ Welt, mehr Stunden, in denen wir mal etwas machen, das keinen höheren Sinn hat. Vielleicht müssen wir wieder mehr rausgehen, erkunden, mal nichts tun.

Ich brauche nicht viel um glücklich zu sein

Im Prinzip versuche ich seit Monaten, immer weniger zu besitzen, immer mehr zu verschenken und das Zeug in unserer Wohnung zu reduzieren. Wir besitzen alle ein Übermaß an Dingen und es irritiert mich jedes Mal, wenn ich einen Schrank öffne und Gegenstände finde, die ich zuletzt vor 3 Jahren benutzt habe. Bali hat mir nochmal ein ganz anderes Gefühl für Minimalismus gegeben. Ich habe meine 20 Kleidungsstücke manchmal waschen lassen, manchmal per Hand durchgespült. Ich hatte meinen Laptop, einen Jutebeutel, meine Trinkflasche, mein Besteckset, mein Smartphone und ein Notizbuch. Die meiste Zeit haben wir günstiges, einfaches, lokales Essen konsumiert und ich habe sehr wenig zum Glücklichsein gebraucht. Zurückzukommen in eine Wohnung voller Kram hat mich unendlich erdrückt. Seitdem habe ich fast jeden Tag ausgemistet, noch mehr verschenkt, noch mehr für den nächsten Flohmarkt beiseitegelegt und unsere Besitztümer gefühlt halbiert. Ich lebe einfacher, bewusster, überdenke jeden Kauf noch mehr und habe gemerkt, dass ich in der Vergangenheit oftmals „Löcher“ in meiner Seele mit materiellen Dingen gestopft habe – sei es nun Kummer, Langeweile oder Unzufriedenheit. Mein langfristiges Ziel ist es, mit so wenig zu leben, dass jeder Umzug leicht fällt, dass auch Leben auf wesentlich kleinerem Raum kein Problem ist, dass ich frei und ungebunden bin.

Berufliche Freiheit

Das Bloggen gibt mir eine unfassbar tolle, berufliche Freiheit und ich habe die Möglichkeit, übers Jahr verteilt immer an anderen Orten zu sein, Trips zu machen oder auf Urlaub zu fahren. Das ist einer der größten Vorteile der Selbstständigkeit und ich schätze den Aspekt sehr. Seit Monaten denke ich allerdings schon darüber nach, mich nach und nach umzuorientieren und zwar weiterhin meinen Blog zu betreiben, aber auch mehr im Social Media Management Bereich zu arbeiten, Content für andere Firmen zu erstellen oder Kunden zu betreuen. Dieses Ziel und mein Wunsch, weiterhin viel zu reisen, haben sich leider widersprochen und ich hatte keine Lösung für das Problem. Ich dachte, ich wäre mit dem Job automatisch ortsgebunden und könnte mir dann nicht mehr erlauben, viel unterwegs zu sein. Kurz nach meinem Tiefpunkt in Bali habe ich mit meiner Freundin Alissa gesprochen und sie hat mir erklärt, wie ich als digitaler Nomade von überall auf der Welt aus arbeiten könnte. In dem Moment habe ich so viel neue Chancen, Hoffnungen und Möglichkeiten gesehen und habe gespürt, wie sich mein innerer Konflikt auflöst. Seit Bali bin ich nun drauf und dran, mich in diesem Bereich weiterzuentwickeln: ich suche nach Kund*innen, lese viel, informiere mich und visualisiere das Ziel.

Ich möchte furchtloser sein

Ich würde mich grundsätzlich als eher mutigeren Menschen bezeichnen – ich handle schnell und intuitiv, treffe Entscheidungen aus dem Bauch heraus und lasse mich auf Abenteuer ein. Mit 19 bin ich spontan nach Wien gezogen, war ein halbes Jahr „nur“ selbstständig, obwohl es damals noch ein sehr kleines Business war und habe eine 180 Grad Wendung gemacht, was mein Studium angeht. Ich habe nur wenige „richtige“ Ängste, habe aber dennoch das Gefühl, dass ich von Jahr zu Jahr weniger furchtlos bin. Vor unserer Reise hat mir der Gedanke, mal für längere Zeit ins Ausland zu gehen oder sogar an einen anderen Ort zu ziehen, eine Heidenangst bereitet. Den sicheren Hafen, die Anschlussmöglichkeiten, beruflich sowie privat, hinter sich zu lassen, erfordert viel Mut, den ich bis vor kurzem nicht hatte. Nun habe ich gesehen, was Abenteuer mit mir machen und wie sehr ich aufblühe, wenn ich mich in ungewisse Situationen begebe. Ich habe den Gedanken, stetig mehr und mehr verdiene zu wollen, stetig 110% sicher zu sein, losgelassen und so viel Vertrauen in mich selbst gewonnen.

Ich habe in 3 Wochen so viel gelernt, wie im letzten Jahr zusammen, habe Veränderungen in meinem Denken zugelassen und ja, irgendwie habe ich mich auch selbst gefunden.

7 Comments

  • Reply Marie 13. Mai 2019 at 21:53

    wirklich sehr sehr schön geschrieben

  • Reply Rica 13. Mai 2019 at 23:45

    Wow, super schöner Beitrag! Und so viel wahres dabei. Ich bin kein Fan von Altersschubladen, aber ich glaube die „Zwanziger“ sind eine ganz besondere Zeit. Man orientiert sich beruflich, versucht irgendwie seinen Platz zu finden, zweifelt vieles an, findet viele gut und einiges schlecht. Das macht einen schon manchmal ängstlich oder unsicher. Ich versuche in letzter Zeit auch, wie du sagst, furchtloser zu sein, alle Gefühle zuzulassen, Ihnen auf den Grund zu gehen uns sie so immer als Lifelesson mitzunehmen. Einfach alles etwas gelassener zu sehen! Manchmal vergesse ich diesen Vorsatz vor lauter Gedanken, da ist so ein Beitrag einfach ein schöner Reminder!
    Ich glaube als Großstadtmensch ist es manchmal auch einfach wichtig zurück zur „Natur“ zu finden. Dafür muss es manchmal keine große Reise sein, einfach in den nächsten Wald fahren und mal ohne Handy und ohne Kopfhörer drauf los spazieren, try it, ist echt nice 🙂

    Mach weiter so, finde dich super inspirierend 🙂

    Rica

    • Reply Julia Vogel 17. Mai 2019 at 11:31

      Liebe Rica,
      vielen Dank für dein Kommentar! Ich bin zwar grundsätzlich auch kein Fan von Schubladendenken, aber durch die Gesellschaft und unsere Welt merkt man finde ich, wie du sagst, dass man in den Zwanzigern ganz viel Neues durchmacht und sich sehr viel weiterentwickelt. Und ich glaube auch, dass es nur um das Rauskommen geht – selbst eine andere Großstadt gibt einem neue Perspektiven, so geht es mir immer in Berlin!
      Ganz liebe Grüße, Julia

  • Reply Pauline 15. Mai 2019 at 3:15

    Super schöne Gedanken
    Manchmal braucht man wirklich ein komplett anderes Umfeld um dann mit Abstand auf sein Leben und seine Situation gucken zu können und zu erkennen, was man verändern möchte.
    Ich bin gerade auch auf einer Reise und ich würde nicht sagen, dass ich mich hier selbstfinde. Aber auf jeden Fall selbst kennen lerne, mich mit mir Selbst beschäftige, in Situationen gelange in denen ich herausfinde wie ich darauf reagiere und dadurch auch herausfinde was ich will – und das ist etwas so wunderbares und so wichtiges.

    Liebe Grüße aus Australien
    Pauline

    http://www.mind-wanderer.com

    • Reply Julia Vogel 17. Mai 2019 at 11:32

      Liebe Pauline,
      danke für deine Worte! Die Ansicht finde ich super schön. Ich glaube auch, dass man sich an neuen Orten, umgeben von neuen Menschen, mal ganz anders verhält und merkt, wie es ist, aus der Routine auszubrechen. Das ist echt ganz wunderbar!
      Liebe Grüße, Julia

  • Reply Lisa 19. Mai 2019 at 23:31

    Wie gern ich mir gerade deine Zeilen durchgelesen hab! Schade, dass wir uns so knapp auf Bali verpasst haben – ich hab mich grad in manchen Sätzen von Dir total wiedergefunden. Danke dafür! Liebe Grüße, Lisa (@zweidiereisen)

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